Segeln in Portugiesischen Gewaessern
Oder wie man sicher und froehlich bleibt
Zu viele Schreck-Geschichten ueber die Gefaehrlichkeit der Portugiesischen West-Kueste gehoert und jetzt ein bisschen ein flaues Gefuehl im Magen? Ist nicht noetig, aber mit Respekt muesst Ihr sie schon behandeln!
Es gibt ein paar simple Regeln, die Euch helfen, alles prima hinzukriegen und wenn Ihr erst mal das „warum“ verstanden habt, ist es alles wirklich einfach und logisch.
Okay, lasst uns mal mit den Regeln anfangen:
1 – Bei jeder einzelnen Wettervorhersage, die Ihr Euch anseht, schaut Euch ganz genau die Wettersysteme auf dem gesamten Nordatlantischen Ozean an. Ja, dem gesamten Nordatlantischen Ozean, denn von da kommen Eure Wellen her.
2 – Macht Eure Hausaufgaben und habt die Gezeitentafeln griffbereit, um sie jederzeit zur Hand zu haben.
3 – Versucht niemals einen Hafen an der Westkueste mit suedlichen Winden und mehr als 2,5 Metern Schwell anzulaufen, ausser es ist Leixoes oder Nazaré.
4 – Falls es draussen etwas mehr auffrischen sollte als Ihr erwartet habt, kommt nicht auf die Idee, einen Hafen anzulaufen, ausser wenn Ihr auf dem Weg nach Leixoes oder Nazaré seid. Segelt ‚raus aufs offene Meer und – fuer den Komfort-Faktor – am besten weg vom Continentalen Shelf (ueber die 200-m-Linie).
5 – Wenn Ihr Zweifel habt oder vielleicht nicht 100% sicher seid, ueberlegt nicht, sondern fragt! Natuerlich gibt es Tag- und Nachtsignale, aber es ist keine Schande und alle sind mehr als gluecklich ueber eine Anfrage auf UKW Kanal 16.
Ein anderer Punkt, den ich eigentlich nicht zu erwaehnen brauche: versucht niemals der Held zu sein weil Eure Crew sich muede fuehlt oder einfach nur lieber eine kuschelige Nacht im Hafen verbringen wuerde. Die Portugiesische Westkueste ist kein Spielplatz fuer Verwoehnereien. Sicherkeit kommt an erster Stelle!
5 Regeln und man kann sie sich ziemlich leicht merken.
Jetzt lasst mich das „warum“ erklaeren:
Die Tiefdruckgebiete ziehen von West nach Ost ueber den Nordatlantischen Ozean. Was auch immer fuer Wellen sie dabei aufbauen trifft auf die Iberische Westkueste und die koennen ziemlich hoch sein! Ihr koennt eine Vorhersage mit vielleicht 3 oder so Knoten Wind haben, traumhaften Sonnenschein und einen Schwell von – beispielsweise 6 Metern oder sowas – waer‘ also ziemlich clever, sich die Wellenhoehen anzusehen, um die Chance zu erhoehen, dass der naechste Zielhafen ueberhaupt anlaufbar ist.
Die meisten Haefen wurden in Fluesse gebaut, die Zugang zum Nordatlantischen Ozean haben. Es war so viel leichter sie zu bauen und bietet eine Menge Schutz vor dem Atlantischen Schwell, wenn man erst mal drinnen ist.
Der vorherrschende Wind ist der bekannte Portugiesische Norder. Um das Einlaufen moeglich zu machen, wenn der unterwegs ist, brauchte man nur auf einer Seite eine Hafenmole zu bauen – auf der noerdlichen.
Drei Sachen koennen Chaos mit diesem Setup ausloesen: Sandbaenke, Stroemungen und suedliche Winde.
Fast jeder der Fluesse hat eine oder mehrere Sandbaenke in der Flusseinfahrt. Abhaengig von Wind- und Seekonditionen kann es brechende Wellen ueber der Sandbank geben, ganz besonders bei Niedrigwasser.
Die Stroemung in den Fluessen ist nicht immer gleich. Nach starken Regenfaellen im Inland (wie z.B. waehrend der Wintermonate 2012, 2013 und 2014) kann die Stroemung 7 Knoten oder mehr erreichen, ganz leicht! Jetzt lass‘ diese Wassermengen aus dem Fluss rausdraengen gegen suedliche Winde mit ein bisschen Schwell und Ihr findet stehende Wellen in der Einfahrt. Kein Witz! Erwaehnen brauch‘ ich es sicher nicht, aber um das komplett zu haben: um Hochwasser herum ist die beste Zeit einzulaufen, vorausgesetzt die Konditionen sind gut.
Ueber die Jahre ist mir was aufgefallen, was die Regel 4 und den Continentalen Shelf betrifft und vermutlich wird es Euch auch auffallen, wenn Ihr Eure Wettervorhersagen anseht: manchmal (oder sehr haeufig) koennt Ihr die Windstaerke, die Ihr haben moechtet, damit beeinflussen, etwas von der Kueste weg oder naeher an der Kueste zu segeln. Sogar 1 Meile nach West oder Ost kann einen grossen Unterschied machen. Seht’s Euch mal an, Ihr werdet ueberrascht sein!
Eine Sache moechte ich noch erwaehnen: vom Strand aus werdet Ihr immer eine tolle Zeit haben den Wellen beim brechen zuzusehen. Von See kommend koennt Ihr nur die Rueckseite der Wellen sehen, ganz selten den Schaum oder den brechenden Kamm. Und wenn Ihr das sehen koennt, ist es zu spaet. Das Dumme ist, je laenger man da draussen auf See ist, desto mehr gewoehnt man sich an die Wellenhoehe und nimmt es nicht mehr so wahr. Es koennte Euch das Gefuehl geben, dass es sicher ist, einzulaufen. Seid clever und fragt auf UKW Kanal 16, anstatt es einfach zu probieren!
Solange Ihr noch irgendwo im Hafen liegt, gibt es etwas das Euch helfen kann eine grobe Idee ueber die Situation zu bekommen. Die Portugiesische Autoridade Maritima Nacional pflegt eine Webseite, die ueber den Status der Hafeneinfahrten fuer saemtliche Portugiesische Haefen informiert. Ihr koennt es unter dem folgenden link finden: Estado das Barras
Ja, es stimmt, es ist in Portugiesisch, was moeglicherweise nicht eine Eurer Sprachen ist, aber es ist nicht schwierig. Rote Flagge bedeutet der Hafen ist geschlossen. Gelb er ist konditioniert, darf z.B. nur von Schiffen ueber 35 m angelaufen werden oder oder. Einfach auf die Flagge klicken fuer mehr Infos. Und bei Gruen ist er offen. Und ja, das aendert sich natuerlich laufend mit den Bedingungen von Wind, See und Gezeit. Und ja, Ihr koennt es draussen auf See nicht checken. Trotzdem, es kann Euch einen Eindruck vermitteln. Und, wenn ein Hafen, den Ihr anlaufen wollt, schon geschlossen ist, obwohl Eurer Meinung nach das schlechte Wetter noch gar nicht da ist, wechselt einfach zu Plan B!
Wenn Ihr die paar Sachen im Hinterkopf behaltet, solltet Ihr keine Probleme haben an dieser Kueste zu segeln. Und glaubt mir: sie ist es wert! Ich bin sicher, Ihr moechtet es gerne selbst bald herausfinden!
Always fair winds and a safe passage!
Dody
Update 01.10.2018, eine Bemerkung zu Hafenhandbuechern:
Auch wenn moeglicherweise der Reeds Nautical Almanac Eure Nummer 1 fuer Britische Gewaesser war, ist er ganz sicher nicht als einzige Quelle fuer Navigationsinformationen anderswo geeignet. Ein Beispiel: die Verlaengerung der Hafenmole seewaerts um 250 m in Figueira da Foz wurde 4 Jahre nach Fertigstellung (und korrekter Bekanntmachung) immer noch nicht in der neuesten Ausgabe des Reeds Nautical Almanac aufgenommen, was Nachts zu verschiedenen beinahe-Unfaellen fuehrte. Und das, obwohl sie behaupten sie aktualisieren ihn jedes Jahr.
Es gibt gute Hafenhandbuecher auf dem Markt. Eines der populaersten fuer diese Kueste ist sicherlich „Atlantic Spain and Portugal“ und wird von der RCC Pilotage Foundation aufgelegt und vertrieben, ist aber auch ueber Imray und viele andere zu bekommen. Jedes Jahr im Fruehling wird ein Supplement mit allen Aenderungen seit der letzten Auflage veroeffentlicht die entweder von anderen Seglern gemeldet, oder anderweitig offiziell bekanntgemacht wurden. Die Supplements koennen kostenlos von der Webseite heruntergeladen werden. Das Hafenhandbuch gibt es als Englische, Franzoesische oder Spanische Auflage.
Sicher, diese Hafenhandbuecher haben ihren Preis. Wenn man nur 2 Naechte in einer huebschen und sicheren Ankerbucht verbringt, hat sich das Buch mit den gesparten Liegegebuehren in der Marina schon bezahlt gemacht, und bringt dazu noch viel viel mehr an Spass, Sicherheit und Informationen!